Reizdarm – Symptome, Diagnose und Behandlung

09. Mai 2023
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Autor:in
PD Dr. med.
Andreas Lubienski
Facharzt für Radiologie
Experte für Abdomen und Bewegungsapparat
Inhaltsverzeichnis
Darmuntersuchung bei ARISTRA Illustration
Das Reizdarmsyndrom (RDS; auch irritable bowel syndrome, IBS) ist definiert als ein Krankheitsbild, bei dem über einen Zeitraum von mindestens drei bis sechs Monaten Magen-Darm-Beschwerden in Zusammenhang mit dem Stuhlgang vorliegen. Die Art und Schwere der Symptome kann sehr unterschiedlich ausfallen. Häufige Symptome sind Durchfall, Verstopfung, Blähungen und Bauchschmerzen.
Die Erkrankung ist ungefährlich und hat eine gute Prognose. Gemeinsam ist Reizdarmpatient:innen jedoch eine relevante Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität. Häufig treten erste Reizdarmsymptome in jungen Jahren auf und Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Eine Manifestation jenseits des 50. Lebensjahres ist selten. Die genaue Ursache des Reizdarmsyndroms ist nicht gänzlich geklärt, jedoch spielen sowohl biologische als auch psychosoziale Faktoren eine Rolle.

Die Behandlung des Reizdarms ist symptomorientiert und deshalb – wie das Beschwerdebild – vielfältig und muss auf den bzw. die einzelne:n Patient:in und seine bzw. ihre Bedürfnisse angepasst sein. Wichtig ist die frühzeitige Diagnose durch den Ausschluss anderer potenziell gefährlicher Erkrankungen.

Was sind die Symptome bei Reizdarmsyndrom?

Anhand der Symptome lassen sich die verschiedenen Formen des Reizdarmsyndroms unterscheiden. Beim RDS-D steht Durchfall, beim RDS-C Verstopfung im Vordergrund der Beschwerden. Beim RDS-M kommen Durchfall und Verstopfung gleichermaßen vor. Des Weiteren sind Völlegefühl, Blähungen und anhaltende Bauchschmerzen typische Symptome. Daneben berichten Patient:innen von Schmerzen beim Stuhlgang mit Besserung im Anschluss an den Toilettengang. Außerdem besteht gelegentlich ein Gefühl der unvollständigen Darmentleerung. Symptome wie chronische Bauchschmerzen, Blähungen, Verstopfung oder Durchfall können körperlich wie psychisch stark belastend sein und zu sozialem Rückzug bis hin zur Entwicklung von psychiatrischen Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen führen.

Symptome, welche gegen das Vorliegen eines Reizdarms als Ursache sprechen, sind Gewichtsverlust, Blut im Stuhl, Blutarmut und Fieber. In diesem Fall sind Untersuchungen zum Ausschluss von bösartigen oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen dringend angezeigt.

Wie entwickelt sich ein Reizdarm?

Eine eindeutige Ursache des Reizdarmsyndroms konnte bisher nicht identifiziert werden. Verschiedene Auslöser und Einflussfaktoren sind beschrieben. So können sich Reizdarmsymptome im Nachgang eines Magen-Darm-Infekts oder einer Operation im Bauchraum ebenso wie nach einer Antibiotika-Therapie entwickeln. Auch psychische Faktoren, wie akuter oder anhaltender Stress oder Traumata, kommen als Ursache in Frage. Darüber hinaus sind genetische und hormonelle Faktoren an der Entstehung eines Reizdarmsyndroms beteiligt. Die Ernährung hat ebenfalls entscheidenden Einfluss auf die Erkrankung.

Diese Einflussfaktoren stören einzeln oder in Kombination die sogenannte Darm-Hirn-Achse. Dieser Begriff soll verdeutlichen, dass biologisch-chemische Prozesse an Darm, Nerven und Gehirn stattfinden.

So ließen sich z. B. in einigen Fällen Veränderungen der für die Schmerzwahrnehmung zuständigen Nerven des Darms nachweisen. Darüber hinaus finden sich eine Dysbalance der Darmflora und eine gestörte Darmbewegung (Peristaltik).

Psychologische Prozesse sind ebenfalls an der Entstehung und Aufrechterhaltung des Reizdarmsyndroms beteiligt. Studien haben gezeigt, dass Patient:innen mit einem Reizdarm überdurchschnittlich häufig an Depressionen oder Angststörungen leiden.

Diagnose Reizdarmsyndrom

Dr. med. Kai-Thorsten Müller
Dr. med. Kai-Thorsten Müller

Facharzt für Radiologie
Experte für Abdomen, Neurologie und Orthopädie
Dr. med. Kai-Thorsten Müller hat langjährige Erfahrung im Bereich Schnittbilddiagnostik, insbesondere in der muskuloskelettalen Radiologie (MSK), Neurologie, der Abdominellen Bildgebung und der MR-Mammographie.
Dr. med. Kai-Thorsten Müller hat langjährige Erfahrung in der muskuloskelettalen Radiologie (MSK), Neurologie, der Abdominellen Bildgebung und der MR-Mammographie.
PD Dr. med. Markus Zimmermann
PD Dr. med. Markus Zimmermann

Facharzt für Radiologie
Experte für Abdomen
PD Dr. med. Markus Zimmermann ist Experte für interventionelle Radiologie, mit Fokus auf onkologische Interventionen, sowie abdominelle Bildgebung, mit Schwerpunkt in der CT- und MRT- Diagnostik der Leber. Er hat mehrere Jahre als Oberarzt an der Uniklinik der RWTH Aachen gearbeitet und war dort bereichsleitend für die Angiographie zuständig.
PD Dr. med. Markus Zimmermann ist Experte für interventionelle Radiologie sowie abdominelle Bildgebung mit Schwerpunkt in der CT- und MRT-Diagnostik der Leber.
PD Dr. med. Andreas Lubienski
PD Dr. med. Andreas Lubienski

Facharzt für Radiologie
Experte für Abdomen und Bewegungsapparat
Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Lubienski ist Facharzt für diagnostische Radiologie und Experte für Abdominalradiologie, Muskuloskelettalradiologie sowie Interventionelle Radiologie. Als Autor und Co-Autor war er während seiner wissenschaftlichen Laufbahn an mehr als 150 Publikationen beteiligt.
Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Lubienski ist Facharzt für Radiologie und Experte für Abdominalradiologie, Muskuloskelettalradiologie sowie Interventionelle Radiologie.
Das Reizdarmsyndrom ist eine sogenannte Ausschlussdiagnose. Das bedeutet, dass zunächst andere Ursachen der Magen-Darm-Beschwerden (Differenzialdiagnosen) so gut es geht ausgeschlossen werden müssen. Dies gilt insbesondere für potenziell lebensbedrohliche, bösartige Krankheiten wie z. B. Darmkrebs. Wichtig hierbei ist auch, dass die Ursachen von Bauchschmerzen, Völlegefühl, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung nicht notwendigerweise immer im Magen-Darm-Bereich zu suchen sind. So ist bei Frauen auch eine gynäkologische Vorstellung dringend zu empfehlen.

Folgende strukturelle Erkrankungen sollten in Erwägung gezogen und vor der Diagnose eines Reizdarms möglichst ausgeschlossen werden:
  • Darmkrebserkrankungen (Kolon-/Rektumkarzinom)
  • Magen-Darm-Infektionen
  • chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa)
  • glutensensitive Enteropathie (Zöliakie)
  • Laktose-/Fruktose-/Sorbit-Unverträglichkeit
  • Bakterienfehlbesiedlung des Darms
  • Bauchspeicheldrüsenerkrankungen
  • Gallenwegserkrankungen
  • Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion
  • Endometriose
  • Eierstocktumore (Ovarial-Karzinom)
  • Verwachsungen nach Operationen des Bauchraums (Briden)
Bei entsprechendem klinischen Verdacht werden die hier aufgelisteten Erkrankungen vor der Diagnosestellung eines Reizdarms durch verschiedene Untersuchungen ausgeschlossen. Neben dem ausführlichen Anamnesegespräch, bei dem die Symptome genau herausgearbeitet werden müssen, erfolgt eine gründliche körperliche Untersuchung.

Außerdem werden verschiedene Laborwerte, wie zum Beispiel Entzündungsparameter, Elektrolyte, Eiweißgehalt, Leber- und Nierenwerte im Blut des bzw. der Patient:in bestimmt. Außerdem sollte der Stuhl auf bestimmte Marker für Entzündungsprozesse im Darm oder Bauchspeicheldrüsenerkrankungen untersucht werden. Dabei können bei entsprechendem Verdacht auch Erreger von Infektionen des Darms nachgewiesen werden.

In der Regel wird außerdem einmalig eine Magen- und Darmspiegelung erfolgen. Hierbei werden Proben von Magen- und Darmschleimhaut entnommen und von einem bzw. einer Patholog:in untersucht. Im gleichen Untersuchungsgang erfolgt auch die Darmkrebsvorsorge.

Ultraschall bei Reizdarmsyndrom

Zur Umfelddiagnostik bei Reizdarm erfolgt immer auch eine Abdomen-Sonographie . Häufig zeigt sich hier eine übermäßige Darmgasansammlung (Meteorismus). Außerdem wird der Darm auf Entzündungszeichen untersucht, welche sich durch eine Zunahme der Darmwanddicke und ggf. umgebende Flüssigkeitsansammlung darstellen kann. Tumore, welche den Transport der Nahrung behindern, verursachen im Ultraschall das Bild eines Aufstaus von Darminhalt bis hin zum Darmverschluss. Außerdem können so krankhafte Veränderungen von Leber, Gallenblase, Gallenwegen und der Bauchspeicheldrüse festgestellt werden.

Da eine Überfunktion der Schilddrüse chronische Durchfälle und eine Unterfunktion Verstopfung auslösen kann, sollte bei ebenfalls bestehenden Hormonveränderungen in der Blutuntersuchung eine Schilddrüsen-Sonographie ergänzt werden.

MRT/CT bei Reizdarm

Eine Untersuchung des Darms mittels MRT oder CT ist zur Diagnose eines Reizdarms routinemäßig bisher nicht standardmäßig empfohlen, kann jedoch bei Auffälligkeiten in der Sonographie sowie bei entsprechendem Verdacht auf eine alternative Ursache der Magen-Darm-Probleme sinnvoll sein. Insbesondere bei ausgeprägten Blähungen ist eine Sonographie des Darms in manchen Bereichen nur eingeschränkt aussagekräftig.

Der Ausschluss von Differenzialdiagnosen ist umso wichtiger, da sich die Behandlung des RDS fundamental von der Therapie struktureller Erkrankungen wie z. B. einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung oder einer Krebserkrankung unterscheidet. Sollten solche Diagnosen übersehen und vorschnell ein Reizdarmsyndrom diagnostiziert werden, stellt dies für die Patient:innen ein ernsthaftes Risiko dar. Bleiben Labordiagnostik, Bildgebung und Spiegelung des Magen-Darm-Trakts ohne wegweisende Befunde, sollte auf eine wiederholte Abklärung bei gleichbleibenden Symptomen verzichtet werden, da dies zur Verstetigung (Chronifizierung) der Beschwerden beitragen kann. Umso wichtiger ist es, dass in der ersten Diagnostik nichts Relevantes übersehen wird.

Wie behandelt man ein Reizdarmsyndrom?

Die gute Nachricht ist, dass das Reizdarmsyndrom per se einen gutartigen Verlauf hat und sogar in einigen Fällen spontan ausheilt. Die Mehrzahl der Patient:innen entwickeln jedoch einen chronischen Verlauf, ohne dass dies mit einer verkürzten Lebenserwartung einhergeht. Leider gibt es derzeit noch keine Standardtherapie, welche zu einer dauerhaften Heilung im klassischen Sinne führt.

Die Therapie des Reizdarmsyndroms ist somit stets symptomatisch. Ziel der Therapie ist eine Kontrolle der Symptome, sodass Reizdarmpatient:innen idealerweise ohne oder zumindest mit möglichst minimalen Einschränkungen und Schmerzen leben können.

Die Basis einer gesunden Verdauung bilden eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, ausgewogene Ernährung und altersentsprechende körperliche Bewegung. Dazu kommen bei Reizdarm verschiedene Medikamente und ggf. psychotherapeutische/psychosomatische Behandlungen zum Einsatz. Spezielle Diäten wie die FODMAP-Diät haben gute Ergebnisse gezeigt, sollten jedoch nur unter Betreuung durch eine:n Ärzt:in oder Ernährungsberater:in erfolgen, um einer Mangelernährung vorzubeugen.

Studien haben außerdem gezeigt, dass zusätzlich sogenannte komplementärmedizinische Maßnahmen wie Akupunktur, Yoga, autogenes Training oder achtsamkeitsbasierte Stressreduktion einen positiven Effekt zeigen.

Welches Medikament hilft bei Reizdarm?

Zur symptomatischen Therapie des Reizdarmsyndroms kommt eine Vielzahl von Medikamenten zum Einsatz. Die medikamentöse Therapie sollte individuell von den Beschwerden des bzw. der Patient:in und der Verträglichkeit des Medikaments abhängig gemacht werden. Ein gut wirksames Standardtherapieschema gibt es aktuell nicht.
Bei Durchfall wird häufig zunächst das auch bei Reisediarrhoe häufig eingesetzte Loperamid verschrieben. Alternative Therapien mit Colestyramin oder dem direkt im Darm wirkendem Antibiotikum Rifaximin können ebenfalls wirksam sein.
Bei Verstopfung werden Stuhlweichmacher wie z. B. Macrogol gegeben. Außerdem empfehlen sich wasserlösliche Ballaststoffe wie Flohsamen.
Zur Therapie bei Bauchkrämpfen kommen Butylscopolamin (Buscopan®), Mebeverin oder schmerzmodulierende Medikamente wie z. B. Amitriptylin (aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva) zum Einsatz. Verschiedene sogenannte Probiotika sind ebenfalls – insbesondere auch bei Blähungen – wirksam.

Auch naturheilkundliche Präparate (Phytotherapeutika) wie Pfefferminzöl können empfohlen werden. Klassische Schmerzmittel wie z. B. Ibuprofen oder Metamizol (Novalgin®) werden dagegen in den aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) nicht mehr empfohlen.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer medikamentöser Behandlungen, welche in Studien wirksam waren.

Eine Therapie sollte immer ärztlich begleitet erfolgen.

Zu welcher Ärztin oder welchem Arzt geht man bei Verdacht auf Reizdarmsyndrom?

Patient:innen mit den oben beschriebenen Symptomen sollten zunächst ihre:n Hausärzt:in aufsuchen. In der Regel können Allgemeinmediziner:innen oder Internist:innen schon frühzeitig aufgrund der Symptomatik und der klinischen Untersuchung den Verdacht eines Reizdarmsyndroms stellen und die weitere Diagnostik einleiten. Zur weiteren Abklärung der Beschwerden können dann Fachärzt:innen für Gastroenterologie, Gynäkologie, Psychiatrie, Psychosomatik und Radiologie hinzugezogen werden. Je nach Symptomatik, Ausprägung und Patient:innenwunsch kann nicht-ärztliches Fachpersonal wie Ernährungsberater:innen, Physio- und Ergotherapeut:innen hinzugezogen werden.

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